Hexenprozesse in Kurmainz

Ideen und Grundlagen der Strafverfolgung im Reich: Hexenhammer und Constitutio

1. Der Hexenhammer (malleus maleficarum)

Titelseite des "Hexenhammers"[Bild: Public Domain]

Der Hexenhammer (Malleus Maleficarum) von 1487 sollte zu einer entscheidenden Wendung in der Hexenlehre führen. Mit dieser systematischen Zusammenfassung aus der Hand des Dominikaners Heinrich Kramer (genannt Institoris, †1505) fand die scholastische Diskussion und was noch wichtiger ist, die Position des gelehrten Hexenglaubens, ihren Abschluss. Kramer hatte den Hexenhammer als Kommentar zu der Bulle Summis desiderantes affectibus (1484) von Papst Innozenz VIII. (†1492) verfasst. Mit der Bulle waren Kramer und der Kölner Dominikanerprofessor Jakob Sprenger (†1495) zu päpstlichen Inquisitoren in Deutschland bestellt worden, um nicht nur gegen Ketzer, sondern besonders auch gegen das Verbrechen der teuflischen Zauberei vorzugehen.

Heinrich Kramer, der schon länger vergeblich gegen vermeintliche Hexen mobil zu machen suchte und von den meisten Zeitgenossen belächelt wurde, veröffentlichte daraufhin den Hexenhammer, der 1487 erstmals in Straßburg gedruckt wurde. Das Buch hatte zunächst keinen so großen Erfolg, gewann aber aufgrund der Engführung auf Frauen als Schuldige für die Hexerei eine große Bedeutung für die folgenden Jahrhunderte. Insofern entwickelte sich der Hexenhammer zu einem Leitfaden der Hexenrichter. Es wurde überdurchschnittlich weit verbreitet und bis 1669 in verschiedenen Sprachen 29mal aufgelegt, erlebte er jedoch in der Hochphase der Verfolgung zwischen 1620 und 1635 interessanterweise keine Neuauflage.

Der Hexenhammer enthält eine komplette Erfassung und Darstellung aller Elemente des Hexenglaubens sowie erstmals als Ziel die Ausrottung von Hexerei bei gleichzeitiger Verengung auf die Frau als Schuldige. Aberglaube, Wahnvorstellungen und Frauenhass prägen den Inhalt. Kramer wirft den Frauen vor, sie seien von Natur aus Lügnerinnen, Zerstörerinnen von Staaten in der Welt und, was besonders wichtig wurde, dass sie weniger gläubig und daher anfälliger für die Versuchung durch den Teufel seien. Dies begründet er mit der unhaltbaren Herleitung, dass das Wort femina (Weib) von fe minus (fides mina = geringgläubig) herkomme. Die Frau sei also aufgrund ihres Geschlechts dem Teufel eher zugänglich.

Das sehr umfangreiche, aber im Kern sich durch ständige Wiederholungen und völlige Wirklichkeitsferne auszeichnende Werk ist in drei Teile gegliedert:

  1.  Hexerei
  2.  Wirkung und "Realität" der Hexerei
  3.  Hexenprozessrecht

Neben einer "Definition" der Hexerei nennt der erste Teil alle Dinge und Personen, die sich bei der Zauberei zusammenfinden. Hier tauchen jetzt auch die für den Hexenprozess so wichtigen Elemente Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexensabbat und Schadenzauber auf.

Der zweite Teil dagegen widmet sich den Auswirkungen der Hexerei und wie man ihnen entgegentreten kann.

Der dritte Teil ist letztendlich kriminalrechtlich relevant. Er erzählt über die Arten der Ausrottung oder zumindest der Bestrafung der Hexen vor einem weltlichen oder geistlichen Gericht. Die Wirkung des Hexenhammers auf die Prozesse in Kurmainz ist nicht genau ermittelbar, da er in den bekannten Fällen nicht als Autorität zitiert wurde.

2. Die Constitutio Criminalis Carolina

1530 wurde die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. auf dem Augsburger Reichstag beschlossen und erhielt zwei Jahre später auf dem Regensburger Reichstag Gesetzeskraft. Dieses Reformwerk sollte der Rechtsvereinheitlichung im Reich dienen und der Willkür in der Strafrechtspflege entgegenwirken. Der erwiesene Schadenzauber (nicht irgendwelche anderen 'Hexenverbrechen') wurde hier neben Mord, Totschlag, Räuberei und Brandstiftung als schweres Verbrechen eingestuft, so dass man später in Hexenprozessen den Angeklagten meist andere "Delikte" zur Last legte, um sie verurteilen zu können. (s.u.)

Dadurch schuf die Carolina eine der rechtlichen Grundlage für die Hexenprozesse zwischen 1580 und 1680 in Deutschland.

Zwar wurde in der Carolina der so genannte Ordalprozess, dessen anerkanntes Beweismittel das Gottesurteil war, abgeschafft, doch trat an dessen Stelle ein Indizien- und Geständnisprozess, der für die Angeklagten kaum weniger qualvoll war. Da ein Geständnis fortan als das verlässlichste Mittel der Wahrheitsfindung galt, war es die Aufgabe des Richters, dieses aus den Angeklagten herauszuholen. Dabei wurden verschiedene Arten der Folter angewandt, die durch die Carolina gesetzliche Bestätigung erlangten und somit legal waren. Folter hatte es aber auch schon vorher gegeben, sie wurde durch die Carolina jetzt allerdings in ihrer Anwendung präzisiert.

Hatte die oder der Angeklagte während der Folter ein Geständnis abgelegt, so musste dieses später freiwillig wiederholt werden, um Rechtsgültigkeit zu erlangen. Diese scheinbar gerechte Regelung kam dem Angeklagten jedoch nicht zugute, denn bei einer Zurücknahme des Geständnisses drohte ihr oder ihm erneut die Folter. Zwar durfte die Folter eigentlich maximal dreimal wiederholt werden, doch wurde erneute Folterung oft als eine erneute Aufnahme nach einer Unterbrechung deklariert.

Die Dauer eines Hexenprozesses hing davon ab, wann der Angeklagte ein Geständnis ablegte. Die Folter wurde in vielen Fällen so oft wiederholt, bis das gewünschte Bekenntnis "freiwillig" abgelegt wurde. Da die Carolina bei mit Folter verbundenen schweren Anklagen keine Möglichkeit der Berufung vorsah, konnte sich die Vollstreckung des Urteils, das von dem Gericht gefällt wurde, unmittelbar anschließen. Für Hexen wurde meist der Scheiterhaufen errichtet.

Ausgewählte Artikel der Carolina, an denen deutlich wird, wie dieses Gesetzwerk nur den Schadenszauber unter Strafe stellt:

Artikel 109:

"Straff der zauberey Item so jemandt den leuten durch zauberey schaden oder nachtheyl zufügt, soll man straffen vom leben zum todt, vnnd man soll solche straff mit dem fewer thun. Wo aber jemandt zauberey gebraucht, vnnd damit niemant schaden gethan hett, soll sunst gestrafft werden, nach gelegenheit der sach, darinnen die vrtheyler radts gebrauchen sollen, wie vom radt suchen hernach geschriben steht."

Es wird deutlich, dass im Gegensatz zu der späteren Sicht, in der Carolina nur die schadensstiftende Zauberei mit dem Feuertod zu bestrafen war. Da Zauberei ohne Schadensfolge nach Ratschlag der Richter anders oder gar nicht bestraft wurde, gab es hier noch Möglichkeiten für Freisprüche.

Artikel 106:

"Wie Gottßschwerer oder gottslesterung gestrafft werden sollen Item so eyner Gott zumist, dass gott nit bequem ist, oder mit seinen worten gott, das jm zusteht abschneidet, der almechtigkeyt gottes, sein heylige mutter die jungkfrauw Maria schendet, sollen durch die amptleut oder Richter von ampts wegen angenommen, eingelegt vnd gestalt der person vnd lesterung gestrafft werden. Doch so ein solcher lesterer angenommen vnd eingelegt ist, das soll an die oberkeyt mit nottürfftiger vnderrichtung aller vmbstende gelangen, die darauff Richter vnnd vutheylern bescheydt geben, wie solche lesterung den gemeynen vnsern Keyserlichen rechten gemeß, vnnd sonderlich nach innhalt besonderer artickeln vnser Reichs ordnung gestrafft werden sollen."

Hart bestraft hingegen wurde Gottesverleugnung als Majestätsbeleidigung Gottes. Hierunter wurden im ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhundert dann auch Teufelshochzeit, Hexentanz und Hexenflug zusammengefasst, die damit als Gotteslästerei und Religionsfrevel mit der Todesstrafe geahndet wurden.

Durch die Einführung des Vorwurfes der Teufelsbuhlschaft, also dem Beischlaf mit einem Teufel oder einer Teufelin wurde den Angeklagten sehr häufig Sodomie zur Last gelegt. Dies wurde mit dem Feuertod bestraft.

Artikel 116:

"Item so eyn mensch mit eynem vihe, mann mit mann, weib mit weib, vnkeusch treiben, die haben auch das leben verwürckt, vnd man soll sie der gemeynen gewonheyt nach mit dem fewer vom leben zum todt richten"

Bei manchen Prozessen wurden auch noch die Artikel 130 (Erstlich von straff der, die mit gifft oder venen heymlich vergeben) und Art. 131 (straff der weyber, so jre kinder tödten) bemüht. Besonders 131 fand immer wieder Anwendung, da die vorgefertigten Fragen ja gerade auch auf Kindstötung und die Verarbeitung der Leichen zu Hexensalbe abzielten.

Nachweise

Verfasser: Vivien Leue und Ludolf Pelizaeus

 
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