Musik und Kunst
0.1.In den Fußstapfen König Davids. Kurfürst Johann Philipp von Schönborn und das geistliche Lied
Kurfürst Johann Philipp von Schönborn und das geistliche Lied
Als der Mainzer Buchdrucker Nicolaus Heyll daran ging, im Auftrag des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn das „Catholisch Cantual“ oder „New Mayntzisch Gesangbuch“ neu aufzulegen (erschienen Mainz 1654), widmete er seinem Auftraggeber, wie damals nicht unüblich, eine höchst untertänige Vorrede. In dieser verglich er den Kurfürsten mit keinem geringeren als König David: Dieser habe „nach langem Krieg und vielfaltigen Streiten [ ] Lobgesäng und Psalmen geschrieben“. In den „Fußstapffen des Ißraelitischen Königs“ habe auch „Ew. Churfürstl. Gnaden [..] nach gestilten Kriegsempörungen und erlangtem Frieden ihre Underthanen nicht allein zum eyfferigen betten / sondern auch zu einem andächtigen singen vnnd psalliren“ ermahnt.
Die Förderung des Kirchengesangs war für Johann Philipp von Schönborn (1605-1673) in der Tat ein wesentliches Anliegen. Seine Regierungszeit als Fürstbischof von Würzburg (ab 1642) sowie als Erzbischof und Kurfürst von Mainz (ab 1647) fällt zum größten Teil in die Phase einer langsamen, immer wieder von Kriegen unterbrochenen Erholung Deutschlands nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Als Erzbischof und Kurfürst war Johann Philipp von Schönborn nicht nur am materiellen, sondern auch am kirchlichen Wiederaufbau seiner Territorien interessiert, und dabei spielte die Förderung von Kirchenmusik und –gesang eine herausragende Rolle. So ließ Schönborn bereits 1649 in seinen beiden Sprengeln Würzburg und Mainz neue deutschsprachige Kirchengesangbücher erscheinen. Den lateinischen gregorianischen Choral führte er 1667 im Mainzer Dom wieder ein, begleitet durch prachtvolle liturgische Drucke, die 1665-1667 in Mainz erschienen.
Darüber hinaus aber hat Johann Philipp selbst geistliche Lieder verfasst und – wenn auch anonym – in Buchform publiziert. Schon in seiner Würzburger Zeit beteiligte sich Schönborn an einem geistlichen Liederbuch, das 1649 unter dem Titel „Keusche Meerfräulein“ erschien. In den Jahren 1653 bis 1658 veröffentlichte der Kurfürst eine Reihe von Büchern, die wichtige liturgischen Texte der Bibel, Evangelien, Episteln und Psalmen in Liedform bearbeiteten: Die „Catholischen Sonn- und Feyertäglichen Evangelia“ (Würzburg 1653) wurden 1656 in zweiter Auflage durch die Zufügung von Epistelliedern erweitert. 1658 erschienen in Mainz und Frankfurt „Die Psalmen des königlichen Propheten Davids“, die Schönborn dem neuen Kaiser Leopold I. widmete. Schönborns wichtigster Mitarbeiter bei diesem Unternehmen war der Rektor des Aschaffenburger Jesuitenkollegs, Conrad Breunig. Die Melodien zu den Liedern schuf der Würzburger und Kurmainzer Hofkomponist Philipp Friedrich Buchner (1614-1669); sie sind mit Generalbass gesetzt. Dass Johann Philipp die Texte zu einem Großteil der Lieder selbst verfasst hat, belegen Entwürfe von seiner Hand, die im Schönbornschen Familienarchiv in Wiesentheid erhalten sind. Mit einem kleinen Kreis von Mitarbeitern hatte Johann Philipp damit für seine Kirche eine neue Grundlage für die Erschließung der Bibel im Kirchengesang geschaffen.
Die Gründe für dieses Engagement liegen zum einen in der Verantwortung Schönborns als Seelsorger. Mit „Reymen und Melodeyen“, so heißt es in der Vorrede zu seinen Psalmen, könne man die Lehre Gottes „lieblicher in die hertzen einfließen“ lassen als durch das gesprochene Wort. In den protestantischen Kirchen blühte das deutsche geistliche Lied. Musikalische Bearbeitungen der Psalmen, der Lesungen aus Evangelien und der neutestamentliche Briefe waren weit verbreitet. Mit seinem Werk wollte Schönborn den Rückstand der Katholiken auf diesem Gebiet aufholen. Im letzten aber ist seine Motivation in seinem Selbstverständnis als Kurfürst und Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches zu suchen. Er bekleidete eine sakrale Würde; wie König David war es seine Aufgabe, dem Volk Frieden zu bringen und es auf den Weg zu Gott zu leiten. Nicht zufällig sind im Frontispiz der „Catholischen Evangelia“ die Spitzen von Reich und Kirche, Kaiser, Papst und Kurfürsten, bei der Anbetung des gekreuzigten Christus dargestellt. Geistliche und politische Aufgaben gehörten in dieser Perspektive untrennbar zusammen.
0.1.1.Musikförderung unter Kfst. Johann Philipp von Schönborn
0.2.Baukunst in Kurmainz
Die Kurfürsten von Mainz nutzten ihre Regierungszeit zur umfangreichen Kunstförderung. Nicht nur die Sakralarchitektur, sondern auch die profane Architektur erfuhr im 16. und 17. Jahrhundert eine umfassende Förderung durch die Landesherren, Adel und Bürgertum.
Bei der profanen Architektur sind besonders die verschiedenen Stadtpalais der großen regierenden Familien in Mainz zu nennen, dann die Festungsbauten in Mainz, Erfurt und aufgrund der Personalunion auch in Würzburg unter Johann Philipp von Schönborn und schließlich der Bau der Mainzer Universität.
Hinzu tritt die Tätigkeit der Kurfürsten als Reformer und Gesetzgeber ebenso wie die Förderung der Kirchenmusik.
Wenn wir uns die Verfolgungszentren ansehen, müssen wir diese mit der Entwicklung der Baukunst, die eben von der Landesherrschaft getragene Leistungen waren, in Beziehung setzen und dies mit den Klagekonsortien, also der von den Untertanen getragenen Begehren nach Hexenverfolgung, verbinden.
Am Ende des 16. und dem beginnenden 17. Jahrhundert begann eine Bauphase von Kirchen und Schlössern, die ihr abruptes Ende mit dem Dreißigjährigen Krieg fand. Mit der konfessionellen Verfestigung der jeweiligen Konfession ab den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts musste der jeweiligen religiösen Ausrichtung ein Gotteshaus, welches nach Möglichkeit speziell für die Konfession stand, gewidmet werden. Besonders der Orden der Jesuiten, der ja keine vorreformatorischen Kirchen besaß, versucht zugunsten von Neubauten zu wirken.
Ein anderer wichtiger Strang waren Schlossbauten, die aber nicht einfach Ausdruck fürstlichen Luxus sind, sondern meist den gestiegenen Erwartungen an Schriftlichkeit und vereinheitlichte Verwaltung entsprechen sollten.
Hinzu kam, dass im Kommunikationsraum Stadt den neuen Schlössern eine zentrale administrative Funktion zukam. Die Territorien richtete nämlich in der Mehrzahl der Fälle ihre Schreib- und Verwaltungszentralen ein, die mit dem Herrscher dann in seine verschiedenen Residenzen ziehen konnten. Dies ist auch für Kurmainz der Fall.
Am Rhein gelegen, musste die Residenz der Kurfürsten, um als Repräsentationsort wirksam sein zu können, auch mit den Stilentwicklungen der Zeit mithalten, stach doch jedem Reisenden unverzüglich das Rheinpanorama ins Auge und es war eben gerade dieses, welches in den Stichwerken in Abbildungen seinen Niederschlag fand. Mit den Baumaßnahmen der Kurfürsten Georg von Greiffenclau und Anselm Kasimir Wamboldt von Umstadt erfolgte Anfang des 17. Jahrhunderts die Ablösung der spätmittelalterlichen Burg durch den unmittelbar angesetzten Schlossbau, welcher die Lücke zwischen Burg und Kanzleigebäude schloss. Dabei behielt das Schloss durch einen Wassergraben einen gewissen fortifikatorischen Charakter, wenngleich ein zweites Zentrum politischer Macht im gegenüberliegenden Südwestteil mit dem Ausbau der Schweickardsburg zur Zitadelle (1620–1626) bestand, die nach dem Dreißigjährigen Krieg noch einmal eine erheblich erweitert wurde.
Das mit Schloss und Kanzleigebäude entstandene Machtzentrum erlebte jedoch durch den Einmarsch der Schweden 1631 die erste Stagnation. Zwar wird hier erst im 18. Jahrhundert eine Jesuitenkirche entstehen, aber schon am Ende des 16. Jahrhunderts findet die staatliche Zentralisierung ihr Abbild im Anbau an die Martinsburg in Mainz, dem sogenannten kurfürstlichen Schloss oder dem Schloss Johannisburg in Aschaffenburg, dass vornehmlich als Rückzugsort und Verwaltungszentrum der Kurfürsten diente.
Die These, die Kurfürsten hätten sich durch das konfiszierte Vermögen der verurteilten Frauen das Schloss überhaupt erst leisten können, ist ebenso falsch wie hartnäckig und wird noch heute bei Führungen vor Ort erzählt. Das Schloss hat aber selbstverständlich zu hohen Kosten im Land geführt, die dann von den Untertanen aufgebracht werden mussten. Andererseits war der Schlossneubau ein Ort für professionelle Verwaltungsabläufe. Alle wichtigen Entscheidungen über den Beginn oder die Fortsetzung der Prozesse wurden daher in Kurmainz entweder im kurfürstlichen Schloss oder im Schloss Johannesburg getroffen.
Noch etwas zeigt das Schloss: Es steht für die Rezeption der neusten baukünstlerischen Entwicklungen nördlich der Alpen, wo die Baukunst zwar eine andere Entwicklung als in Italien nahm, aber durchaus fortschrittlicher Entwicklungen zu finden sind.
Nicht mehr Dom und Bischofshof waren die Machtzentren, sondern es entwickelten sich zwei eigene Schwerpunkte. Stand der Dom als Sitz des Kapitels vornehmlich für dessen Macht und jene des domkapitularischen Adels, so lässt sich im Verwaltungszentrum am Rhein nicht nur die kurfürstliche Machtzentrale, sondern der Sitz einer zunehmend bedeutend werdenden bürgerlichen Elite verorten. Es wurde der räumliche Schwerpunkt auf die Martinsburg als Verwaltungssitz gelegt, die mit den Erweiterungsbauten unter Daniel Brendel von Homburg 1555–1557 (Kanzlei) und 1570–81 (Kirche St. Gangolph) einen weiteren Bedeutungszuwachs erhielt.