Hexenprozesse in Kurmainz

Verfolgung in Bodenheim 1612-1615

1612-1615 kam es in dem bei Mainz liegenden Bodenheim zu einer schweren Verfolgung. Die Relation von Opferzahl zur Einwohnerzahl und die Verfolgungsdauer ist recht hoch, weswegen hier der Ort als ein weiteres herausragendes Beispiel vorgestellt wird. Bodenheim hatte damals ca. 300 Einwohner, so dass in zweieinhalb Jahren 17% der erwachsenen weiblichen Bevölkerung den Prozessen zum Opfer fiel. Zudem führten die Prozesse zu vielen Verdächtigungen im Umland, so vermutlich in Zornheim, Ebersheim, Sörgenloch, Schornsheim u.a. Orten. Leider haben sich aber keine Unterlagen für diese Prozesse mehr erhalten, so dass wir nur wissen, dass es bis 1642 zu Prozessen in und um Nieder-Olm kam.

Die Prozesse in Bodenheim begannen mit der Verhaftung der Witwe Merg Scholl am 8. Oktober 1612. Grund hierfür war eine Verdächtigung, nämlich die Anklage eines Bäckers, dass Scholl in der Backstube ein Kind so verzaubert habe, dass es verstorben sei. Im Frühjahr 1613 wurde Scholl verurteilt und mit zwei anderen Frauen verbrannt. Dieser bis 1615 dauernden Verfolgungswelle fielen 27 Menschen zum Opfer: 24 Frauen und ein Mann wurden verbrannt, zwei weitere Frauen waren im Gefängnis gestorben und eine "auf genügend Caution gelassen worden".

Schon in diesem Prozess zeichnet sich deutlich das Problem der „Mehrherrigkeit“ des Ortes ab. Bodenheim gehörte einer Reihe von Herren und es kann an dem Beispiel deutlich gesehen werden, wie es zu einer Verknüpfung von Herrschaftsrechten und Hexenverfolgung kam.

Hexenprozesse wurden nämlich zur Durchsetzung von Herrschaft instrumentalisiert. Der Ort unterstand dem Mainzer Ritterstift St. Alban, dem Kurfürstentum Mainz und der Kurpfalz. Dies wird auch in den Prozessakten sehr deutlich. Die Unterstellung der Einwohner unter drei Herren führte aber zu beständigen Spannungen, zumal die Kurpfalz massiv versuchte, ihre Rechte gegen St. Alban durchzusetzen, ja soweit ging, ihre Leibeigenen zu zwingen, in den wittelsbachischen Hausfarben blau weiß gekleidet in die Kirche zu gehen [Anm. 1].

Ziel der Verfolgung waren daher vornehmlich kurpfälzische Leibeigenen. Sie stammten nämlich aus einem Territorium, in welchem die Hexenverfolgung zu dieser Zeit abgelehnt wurde. Und so hatte die Gruppe der "Kurpfälzer" am Schluss der Verfolgung zwei Drittel der gesamten Opfer zu beklagen, obwohl sie nur ein Drittel der Einwohner stellten. Es drehte sich in der Auseinandersetzung also nicht vornehmlich um die Hexerei, sondern um die Frage, wer in dem Ort Hinrichtungen durchführen dürfe und wer Herr über die meisten Leibeigenen im Orte sei.

Begonnen hatte der kleinste Grundherr die Prozesse, nämlich auf Anordnung des Propstes von St. Alban, Anton Waldbott von Bassenheim (1572-1629) dessen Bodenheimer Amtmann Adam Ebersheim. Von der Gemeinde Bodenheim nahm auf der anderen Seite stets ein Schultheiß, von Mainzer wie von Kurpfälzer Seite weitere Prozessbevollmächtigte teil. Um den Schultheiß hatte sich zudem eine Gruppe von Prozessbefürwortern gesammelt, ähnlich wie wir dies schon in Dieburg 1627 gesehen haben. Auch in Bodenheim ging die Initiative von der kleinsten Herrschaft und von der Gemeinde aus. Dies bedeutete zudem, dass die Gemeinde bereit war, die entstehenden Kosten zu übernehmen.

Erst durch den Einmarsch kurpfälzischer Truppen und die Befreiung von Verdächtigen kamen die Prozesse zu einem Ende. Nur der kurpfälzische Obervogt Martin Schmidt musste sich selbst in Mainz noch einmal einer Hexenanklage stellen, als er sich unvorsichtigerweise nach Mainz begeben hatte. Er wurde aber 1617 aufgrund von juristischen Gutachten aus Marburg, Heidelberg und Rostock frei gesprochen.

1628 sowie 1630/31 und 1637 und 1644 kam es erneut zu Verfolgungen, über die sich jedoch keine Informationen erhalten haben, weil die Akten nach 1792 zerstört wurden.

Nachweise

Verfasser: Ludolf Pelizaeus

Literatur:

Anmerkungen:

  1. Schmidt, Hexenprozesse; Schmidt, Glaube Zurück
 
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