Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648
0.1.Belastung der Bevölkerung als Hintergrund für Hexenprozesse
Die Hauptverfolgung in Dieburg fand zwischen 1627 und 1629 statt, mitten im Dreissigjährigen Krieg. Daher ist als historischer Hintergrund für die Verfolgungswellen in Kurmainz der Dreißigjährige Krieg zu bedenken.
Seit 1608/09 nehmen die konfessionellen Spannungen im Heiligen Römischen Reich erheblich zu, was sich in der Gründung eines protestantischen Zusammenschlusses, der Union 1608 und eines katholischen Bündnisses, der Liga äußert. Weitere Spannungen führen dann zum von 1618 bis 1648 dauernden Krieg. Dieser prägte die Geschichte Deutschlands und Europas maßgeblich, zumal schon in seinem Vorfeld Aggressionen und Spannungen zwischen den Konfessionen zugenommen hatten, was sich besonders in den Territorien, die an anderskonfessionelle Gebiete angrenzten, in Form allgemeiner Unruhe, Unsicherheit und Endzeiterwartung niederschlug.
Der Dreißigjährige Krieg wird in vier Perioden eingeteilt.
0.2.Periodisierung des Krieges
0.2.1.1. Böhmisch-pfälzischer Krieg 1618-1624
Der Krieg war ausgebrochen, nachdem die böhmischen Stände 1618 die Vertreter des Kaisers aus dem Fenster geworfen hatten (Prager Fenstersturz), um damit ihre Unabhängigkeit vom Haus Habsburg zu demonstrieren. Da die Stände dann Friedrich, Kurfürst von der Pfalz zu ihrem König wählten, gingen die Truppen des Habsburgers Ferdinand gegen Friedrich von der Pfalz, genannt der "Winterkönig", vor. Es gelang ihnen, Friedrich nicht nur aus Böhmen, sondern auch aus seinen Stammlanden um Heidelberg zu vertreiben. Damit war der Krieg in das Rhein-Main Gebiet gelangt. Neben deutschen Truppen hatte die Bevölkerung unter Heerscharen aus dem mit dem Kaiser verbündeten Spanien zu leiden. Diese marschierten 1622 in die Gebiete der Kurpfalz, die an vielen Stellen unmittelbar an Kurmainz grenzte, ein. Krieg und Kriegsbelastungen waren damit für die Bevölkerung im Rhein-Main Gebiet präsent.
0.2.2.2. Niederländisch-Dänischer Krieg (1625-1629)
In dieser relativ kurzen Periode bewegten sich die Heere nach dem Einfall des dänischen Königs in das Reich in Richtung Norden, wo es in den Niederlanden und im norddeutschen Raum zu mehreren Schlachten und Belagerungen kam. Durch seine Erfolge im Norden konnte der Kaiser im südwestdeutschen Raum viele katholische Klöster wieder einrichten und die dortigen evangelischen Landesherren zur Annahme seiner Bedingungen zwingen. Andererseits blieb das Rhein-Main Gebiet aber aufgrund zahlreicher Truppendurchmärsche weiterhin stark belastet.
0.2.3.3. Schwedischer Krieg (1630-1635)
Mit dem Niederländisch-dänischen Krieg war es den kaiserlichen Truppen unter der Führung von Wenzel Eusebius Wallenstein gelungen, bis nach Mecklenburg vorzudringen. Hier nun wurde Wallenstein vom Kaiser mit dem Herzogtum belehnt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kaiser Ferdinand den Zenit seiner Macht erreicht, als durch die Landung des Ostseeanrainers Schweden unter der Führung von König Gustav Adolf der Kriegsverlauf eine neue Wendung nahm. Gustav Adolf gelang es in kurzer Zeit, weit nach Süden vorzustoßen und dabei Mainz und mainzische Gebiete zu besetzen. Der Einmarsch der Schweden führte zu einem plötzlichen Ende der Hexenprozesse in Kurmainz und zur Flucht von Kurfürst Anselm Kasimir nach Köln.
Die Wendung des schwedischen Kriegserfolges trat jedoch ein, als der König in der Schlacht bei Lützen fiel (1632) und die mit ihm verbündeten protestantischen Truppen 1634 eine schwere Niederlage bei Nördlingen erlitten. Der nun geschlossene Friede von Prag (1635) führte aber nicht zu einem Ende des Krieges, da die reformierten Reichsstände ausgeschlossen blieben und auch die Großmächte Frankreich und Schweden dem Friedensschluss nicht beitraten. Gerade in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts suchten mehrere schwere Pestwellen das Reich heim, die zu großen Bevölkerungsverlusten führten.
0.2.4.4. Schwedisch-französischer Krieg (1635-1648)
Durch die Intervention der Großmacht Frankreich wurde der Krieg neu angeheizt. Frankreich, das im Inneren seines Landes den Protestantismus stark bekämpft hatte, stellte sich auf Seiten des protestantischen Schweden, um eine zu starke Position des Kaisers im Reich zu verhindern und die Wiedereinsetzung der vertriebenen Gegner des Kaisers Kurpfalz und Hessen-Kassel zu erreichen. Französische, kaiserliche und schwedische Truppen wechselten sich jetzt auch im Rhein Mainz gebiet ab. Dies bedeutete, dass Pest, Hungersnöte und ständige Truppendurchzüge die letzten dreizehn langen Jahre des Krieges kennzeichneten. Erst die seit 1643 in Osnabrück und Münster geführten Friedensverhandlungen konnten schließlich 1648 ein Ende des langen Krieges bringen.
Friedensverträge wurden 1648 geschlossen zwischen:
- den Niederlanden und Spanien im Mai 1648
- Frankreich und dem Kaiser im Oktober 1648
- Schweden und dem Kaiser im Oktober 1648 und
- Frankreich und Schweden im Oktober 1648.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Friedens lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:
- Gebietsveränderungen
- Säkularisation (Osnabrück, Bremen Verden)
- Schaffung der achten Kurwürde für Kurpfalz.
- Normaljahr 1624. Alle späteren konfessionellen Änderungen sind rückgängig zu machen: Es erfolgt die Zulassung der drei Konfessionen und Konfessionswechsel für ganze Territorien sind nicht mehr möglich und es erfolgt die paritätische Besetzung von Reichstag und Reichsorganen
- Trennung der spanischen und österreichischen Linie der Habsburger, da die spanische Monarchie noch bis 1659 gegen Frankreich kämpft.
Die Gesamtverluste, die der Dreißigjährige Krieg mit seinen Begleiterscheinungen wie Teuerung, Hunger, Seuchen, Krankheiten und Tod mit sich gebracht hat, kann wegen mangelnder Statistiken nur sehr grob geschätzt werden. Man nimmt an, dass ein Drittel bis zur Hälfte der Bevölkerung umkam. Es dauerte fast 150 Jahre, bis der Bevölkerungsverlust im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wieder ausgeglichen war. (LP)