Hexenprozesse in Kurmainz

Der "H Sonderauftrag" Himmlers und das "Ahnenerbe" von Alfred Rosenberg

Im Denken von Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler dominierte die rassistische Komponente. Von Heinrich Himmler wurde speziell zur Untersuchung der Hexenprozesse mit nationalsozialistischer Fragestellung der „H[exen]-Sonderauftrag“ gegründet. An ihm lässt sich sowohl die Wandlung des Interesses von Heinrich Himmler an der Hexenverfolgung, die Pseudowissenschaft im III. Reich wie auch die innere Konkurrenz der Institutionen gut nachverfolgen.

Zunächst war Himmler von einem Männerorden, wo er an eine der SS vergleichbare Institution dachte, ausgegangen, hatte also antifeministische Gedanken bei der Gründung des H-Sonderauftrags, für den zwischen 1935 und 1944 immerhin mehr als 20 Forscher arbeiteten. Die bis heute nicht bekannten Forscher des H-Sonderauftrags, die stets geheim und verdeckt mit falschen Identitäten zu arbeiten hatten, erhielten die Aufgabe die Archive in Deutschland nach Hexenverfolgungen zu durchkämmen. Es entstanden 33 846 Karteibögen im DIN-A4-Format, die Hexenverfolgungen und -verbrennungen, die teilweise sogar in Indien und Mexiko umfassen. Die Karten sind als Fragekarten aufgebaut und sollten die Karteikarten Namen und Herkunft der Hingerichteten besonders aber den Grund für die Verurteilung aufführen, wobei man sich eine Grundlage für die NS Interpretation erhoffte. Zunächst war der "H-Sonderauftrag" bis April 1936 zusammen mit der "SS-Schrifttumsstelle Leipzig" in der Deutschen Bücherei in Leipzig untergebracht. Danach wurde die Kartothek nach Berlin-Wilmersdorf verlegt und gelangte 1943 nach Niederschlesien, dann nach Posen, weswegen sich der Hauptteil der Beständen in der Universitätsbibliothek Posen befindet, zudem aber im Bundesarchiv.

In einer Mischung von Romantizismus und Modernität sah Himmler in den Hexen, aber auch in Zauberer oder Wahrsagern die Träger einer alten verschwundenen germanischen Volkskultur. Dies sei, so seine Überzeugung, von der katholischen Kirche ausgerottet worden. Ziel des H-Sonderauftrages war es daher, vornehmlich, diesen angeblichen altgermanischen Glauben aus den Geständnissen zu rekonstruieren, was natürlich nicht gelingen konnte, da es eben diesen Glauben nicht gab und die Mitarbeiter kaum mehr, als die Aufnahme der Namen und der Hinrichtungsorte leisten konnten. Himmler stand zudem unter Druck, weil Alfred Rosenberg mit Amt Rosenberg eine Konkurrenzinstitution zum H-Sonderauftrag und dem SS Ahnenerbe besaß. Rosenberg hatte in seinem "Mythus des 20. Jahrhunderts" die Hexenverfolgung auf die Etrusker zurück geführt, die dann von dem „Pontifex maximus“, also dem Papst, in der Tradition weiter geführt worden sei. Das orientalische Christentum habe nun die Hexenverfolgungen fortgesetzt und eine alte europäische Kultur zerstört, ja  eine "rassewidrigen Weltanschauung" aufgerichtet. Wenngleich vom Ansatz her ähnlich, gab es eine starke Konkurrenz zwischen Himmler und Rosenberg.

Betrachten wir kurz die Mitarbeiter im H-Sonderauftrag. Zunächst Otto Höfler, der die These der altgermanischen Männerbünde vertrat, die aber bald nicht mehr ins Konzept passte und der daher auch auf die Linie der Untersuchung einer "Ausrottung wertvollen deutschen Blutes" einschwenken musste.

Weitere zentrale Figuren im H-Sonderauftrag, die wir kennen, waren Prof. Franz Alfred Six, SS Stadartenführer Wilhelm Spengler (1907-1961), Leiter der Amtsgruppe III C (Kultur) des RSHA und Rudolf Levin. Während Spengler den H-Sonderauftrag aufbaute und ihn 1939 an Levin abgab, war letzterer prägend für die Arbeit im Krieg. Levin wollte einen Glauben rekonstruieren, um einen Beweis gegen die Verschwörung des „Weltjudentums“ zu gewinnen. Ja mehr noch, ihm lag es an der Rekonstruktion eines angeblich verschwundenen Glaubens. Alles scheiterte. Es gelang ihm noch nicht einmal, seine Habilitation bei einer ideologisch ihm gewogenen Person, wie dem SS-Untersturmführer Gunter Franz, in München durchzubringen. Weder die Karteikarten erbrachten Erkenntnisse, noch konnten die geplanten Bücher über Hexenprozesse, so die von Friedrich Norfolk, einen größeren Kreis erreichen. Inwieweit die vom H-Sonderauftrag mit betreute Zeitschrift Germania wenigstens einen bescheidenen Einfluss auf das Denken im III. Reich entwickelt konnte, wird in einer Dissertation in Mainz untersucht.

So bleibt zu konstatieren, dass zwar über Jahre hinweg eine gewaltige Fleißarbeit mit namentlicher Aufzählung hingerichteter Hexen geleistet wurde, dies aber wissenschaftlich nicht auswertbar war. Himmler fand sich nicht bestätigt, auch wenn es den Forschern, wohl auch unter Druck gelang, dem Reichsführer eine angebliche Vorfahrin, nämlich Margareth Himbler aus Markelsheim, am 4. April 1629 auf dem Scheiterhaufen hingerichtet, zu präsentieren.

 

Ludolf Pelizaeus

 

Himmlers Hexenkarthothek. Das Interesse des Nationalsozialismus an der Hexenverfolgung. Hg. v. Sönke Lorenz e.a. Bielefeld, Verlag für Regionalgeschichte, 1999. (Hexenforschung, 4)

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